Die Europäische Union hat in der Form eines Beschlusses des Euro-päischen
Parlamentes und des Rates vom 22.07.2002 ihr 6. Umwelt-aktionsprogramm im
Amtsblatt Nr. L 242 vom 10.09.2000 veröffentlicht.
Die Umweltaktionsprogramme haben eine erhebliche Bedeutung als "Ta-gesordnung"
der zukünftigen Umweltpolitik. Die bisherigen Umweltaktions-programme sind von
der Europäischen Union sehr genau abgearbeitet und umgesetzt worden. Resultat
des vorherigen 5. Umweltaktionsprogrammes sind beispielsweise die
UVP-Richtlinie, die IVU-Richtlinie, die Wasser-rahmenrichtlinie und auch die
FFH-Richtlinie gewesen. Die Umwelt-aktionsprogramme haben also eine
erhebliche, weit in die Zukunft reichende Bedeutung. Der Beschluß Nr.
1600/2002/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.07.2002 ist als
Anlage 1
beigefügt.
Hervorgehoben sei:
Nach Art. 3 Ziffer 2 6. UAP werden die Maßnahmen zur wirksameren Umsetzung
und Durchsetzung des gemeinschaftlichen Umweltrechts (und damit der
Druck auf die Mitgliedstaaten) verstärkt.
Nach Art. 3 Ziffer 7 6. UAP soll die Einbeziehung von Umwelt-belangen in
den Finanzsektor verstärkt werden, u.a. durch eine Aufforderung an die
Europäische Investitionsbank, bei der Vergabe von Krediten Umweltziele und
-kriterien stärker zu beachten.
Nach Art. 3 Ziffer 8 6. UAP sollen Rechtsvorschriften über die
Um-welthaftung ergehen.
Nach Art. 6 Abs. 2 a) 6. UAP sollen die erforderlichen technischen und
finanziellen Instrumente und Maßnahmen für den Schutz der gemäß der
Habitatrichtlinie und der Vogelschutzrichtlinie geschützten Arten außerhalb
der NATURA 2000 - Gebiete aufgebaut und angewendet werden.
Nach Art. 10 b) 6. UAP soll die Unterstützung der im Umweltbereich tätigen
Nichtregierungsorganisationen auch durch finanzielle Mittel der
Gemeinschaft verstärkt werden. Die Naturschutzverbände haben sich so
institutionelle Förderung gesichert.
Die Laufzeit des 6. UAP beträgt 10 Jahre und beginnt am 22.07.2002. Für eine
weiter anschwellende Flut Brüsseler Umweltrechtsakte bleibt gesorgt.
In seinem am 17.05.2002 verkündeten Urteil zur Bundesautobahn A 44 im
Teilabschnitt Hessisch Lichtenau-West bis Hessisch Lichtenau-Ost hat das
Bundesverwaltungsgericht seine Rechtsprechung zu den Rechtsfolgen potentieller
FFH-Gebiete erneut modifiziert. Das Bundesverwaltungsgericht trägt nunmehr der
Vorschrift aus Anhang III Phase 2 Nr. 1 FFH-RL verstärkt Rechnung, wonach
alle von den Mitgliedstaaten in Phase 1 ermittelten Gebiete, die
prioritäre natürliche Lebensraumtypen bzw. Arten beherbergen, als Gebiete von
gemeinschaftlicher Bedeutung betrachtet werden und von der Europäischen
Kommission zwingend zu listen sind.
Unser Arbeitskreis hat stets auf diese Vorschrift hingewiesen, die zu einem
Listungsautomatismus führt und die den Rechtsgrund für das beliebte Beimischen
prioritärer Lebensraumtypen oder Arten in die Standard-datenbögen zur
Sicherstellung endgültiger Listung darstellt.
Es heißt nunmehr in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes zu den
Rechtsfolgen potentieller FFH-Gebiete wörtlich wie folgt:
"Wie der Senat in Bezug auf die Beeinträchtigung sog. potentieller
FFH-Gebiete durch Straßenbauvorhaben weiter entschieden hat, kann diese
Vorwirkung unterschiedliche Rechtspflichten auslösen. Drängt es sich auf,
daß ein potentielles FFH-Gebiet nach seiner Meldung auch Aufnahme in die
Gemeinschaftsliste (vgl. Art. 4 Abs. 2 FFH-RL) finden wird, ist die
Zulässigkeit eines dieses Gebiet berührenden Straßenbauvorhabens an den
Anforderungen des Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL zu messen (Urteil vom
27.01.2000 - BVerwG C 2.99 - a.a.O.). Kann dagegen die Aufnahme in die
Gemeinschaftsliste nicht hinreichend sicher prognostiziert werden,
hat es mit dem Verbot sein Bewenden, das Gebiet so nachhaltig zu
beeinträchtigen, daß es für eine Meldung und Aufnahme in die
Gemeinschaftsliste nicht mehr in Betracht kommt (BVerwG, Urteil vom
27.10.2000 - BVerwG 4 A 18.99 - a.a.O.).
...
Wäre die Kommission durch gemeinschaftskonformes Verhalten in die Lage
versetzt worden, die Gemeinschaftsliste innerhalb der Frist des Art. 4 Abs.
3 FFH-RL zu erstellen, so würde das "Lichtenauer Hochland" nicht bloß die
Merkmale eines potentiellen FFH-Gebietes erfüllen, sondern die Qualität
eines Gebietes von gemeinschaftlicher Bedeutung aufweisen. Das folgt aus der
im Anhang III (Phase 2 Nr. 1) zur FFH-RL getroffenen Regelung. Danach werden
alle von den Mitgliedstaaten in Phase 1 ermittelten Gebiete, die prioritäre
natürliche Lebensraumtypen bzw. Arten beherbergen, als Gebiete von
gemeinschaftlicher Bedeutung betrachtet. Anders als bei der Beurteilung der
Bedeutung der anderen in die Listen der Mitgliedstaaten aufgenommenen
Gebiete (vgl. hierzu Anhang III Phase 2 Nr. 2) gesteht die Richtlinie der
Kommission insoweit keinen Auswahlspielraum zu. Die Wertung, die
dieser Regelung zugrunde liegt, rechtfertigt es, Vorhaben in einem Gebiet,
das wegen des Vorhandenseins prioritärer Biotope oder Arten dem
Automatismus des Anhangs III Phase 2 Nr. 1 unterliegt, dem strengen
Regime des Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL zu unterwerfen ..., während es für
Vorhaben in Gebieten ohne prioritäre Elemente mit dem
Beeinträchtiungsverbot sein Bewenden hat, dessen Wirkungen der Senat im
Urteil vom 27.10.2000 näher beschrieben hat".
Mit dieser Entscheidung erkennt das Bundesverwaltungsgericht den von unserem
Arbeitskreis seit jeher herausgearbeiteten "Listungsautomatismus" an. Die
Entscheidung hat erhebliche Bedeutung für diejenigen Fälle vorbeugenden
Rechtsschutzes, die noch nicht abgeschlossen sind, die die häufigen Gebiete
mit prioritären Lebensraumtypen oder Arten betreffen und bei denen die
Behörden, wie ebenfalls leider häufig, einen Listungsautomatismus bestreiten.
Wegen des Listungsautomatismus führt kein Weg darum herum, die schon jetzt
erhobenen Klagen gegen die Rechtmäßigkeit der Landesauswahl für zulässig zu
halten und in der Sache selbst zu entscheiden.