Rundschreiben 7/2000


Inhalt

Sehr geehrte Damen und Herren,

Mit Spannung wird der Referentenentwurf zur Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes erwartet. Bundesumweltminister Trittin hat den Entwurf vielfach als unmittelbar bevorstehend angekündigt; die Veröffentlichung wurde jedoch immer wieder hinausgeschoben. Ursache ist wohl, daß die von Bundeskanzler Schröder verfügte interministerielle Abstimmung schon des Referentenentwurfes auf Staatssekretärsebene ihre Zeit beansprucht. Die Eckpunkte für die Novellierung können von der Geschäftsstelle abgefordert werden oder im Internet unter der Adresse http://www.bmu.de/presse/bmu/pm374.htm; ein dahinführender Link ist auf der neuen Internet-Seite unseres Arbeitskreises unter "www.arbeitskreis-eigentum-und-naturschutz.de" (Rubrik "Links") eingerichtet.

Auch Landesumweltminister Müller hat in einem Gespräch die Novellierung des Landesnaturschutzgesetzes angekündigt.

Wir nutzen die gespannte Ruhe, um die seit dem letzten ausführlichen Rundschreiben fortgeschrittene Entwicklung des Naturschutzrechtes aufzuarbeiten:

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I. Neue Landesumweltpolitik ?

Der neue schleswig-holsteinische Umweltminister Klaus Müller (Bündnis 90/Die Grünen) hat in den ersten 100 Tagen seiner Amtszeit immer wieder auf Veranstaltungen und in Pressegesprächen erklärt, er trete für eine "Wende in der Naturschutzpolitik" ein. Beispielsweise heißt es in einem Pressegespräch mit der Schleswig-Holsteinischen Landeszeitung vom 08.05.2000:

"Naturschutz kann nur erfolgreich sein, wenn er mit und nicht gegen den Menschen vor Ort gemacht wird", meinte Müller. "Hier muss eine neue Beteiligungskultur entwickelt werden". Der Umweltminister kritisierte seine Amtsvorgänger, die zu sehr auf ordnungsrechtliche Instrumente gesetzt und dadurch dem Naturschutz oftmals einen Bärendienst erwiesen hätten. Die weichen Naturschutzinstrumente, wie freiwillige Vereinbarungen und Beteiligungsverfahren will Müller wie auch den Vertragsnaturschutz verstärkt einsetzen".

Es bleibt abzuwarten, ob diesen Worten Taten folgen. Die Landschaftsschutzverordnung "Obere Hanerau" im Kreis Rendsburg-Eckernförde ist jedenfalls vom ehemaligen Landrat Bellmann am letzten Tage seiner Amtszeit unterzeichnet worden, obwohl der Minister - so teilt dieser jedenfalls in einem Schreiben an die Betroffenen mit - ihn gebeten hatte, die von den Betroffenen ausdrücklich angebotene Möglichkeit des Vertragslandschaftsschutzes zu prüfen.

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II. NATURA 2000

  1. Die Sach- und Rechtslage wird immer komplizierter. Beispielsweise teilt das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit in einem "Bescheid nach dem Umweltinformationsgesetz" mit, aus Schleswig-Holstein lägen "abschließende Ländermeldungen" vor. Diese Aussage steht der Aussage des Landes Schleswig-Holstein diametral gegenüber, wonach die Landesregierung im Kabinettsbeschluß vom 14.12.1999 nicht abschließend, sondern vorbehaltlich einer Benehmensstellungnahme des Bundes entschieden habe. Diese Erklärung hat das Land u.a. gegenüber dem Verwaltungsgericht Schleswig abgegeben (die letzten Rundschreiben berichteten). Das Land weigert sich, diese Aussage durch Offenlegung des Kabinettsbeschlusses vom 14.12.1999 überprüfbar zu machen mit der Begründung, gegen die Vorlage des Kabinettsbeschlusses bei Gericht spreche ein "besonderer Geheimhaltungsschutz im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit der Regierung". - Offenbar führt uns das FFH-Meldeverfahren in die Nähe revolutionärer Zustände ohne handlungsfähige Staatsgewalt ...

  2. Zunehmend tritt hervor, daß schon die grundlegenden Fragen offen sind. Ungeklärt ist beispielsweise die Frage, durch welchen Rechtsakt ein Vogelschutzgebiet entsteht. Man müßte annehmen, daß diese wichtigste Frage jeder Unterschutzstellung geregelt ist. Das ist jedoch nicht der Fall.

U. a. zu dieser Frage veranstaltete das schleswig-holsteinische Oberverwaltungsgericht am 27.06.2000 eine wissenschaftliche Tagung, das "Vierte Schleswiger Forum zum öffentlichen Recht". Die Frage wurde intensiv u.a. mit dem Bundesverwaltungsrichter, Prof. Dr. Dr. Berkemann, 4. Senat, diskutiert, der als Berichterstatter an den zentralen Entscheidungen zur Rechtsfigur des "potentiellen FFH-Gebietes (Ostseeautobahn A 20/Ortsumgehung Hildesheim B 1) maßgeblich beteiligt war. Letztlich blieb offen, ob ein Vogelschutzgebiet mit der Meldung des Mitgliedstaates an die Europäische Kommission, mit der Anerkennung durch die Europäische Kommission oder erst damit entsteht, daß die Behörden eines Mitgliedstaates sich gegenüber einem Unionsbürger auf das Bestehen eines Vogelschutzgebietes berufen. Klar ist nur, daß die Regelungen zur Entstehung von FFH-Gebieten, also Auswahl, Benennung und Listung nach § 19 b) Abs. 1 BNatSchG i.V.m. Art. 4 FFH-RL auf Vogelschutzgebiete keine unmittelbare Anwendung finden.

  1. Das materielle Kriterium für Vogelschutzgebiete, daß nämlich Vogelschutzgebiete die "zahlen- und flächenmäßig  geeignetsten Gebiete" sein müssen, kann anhand der nun von der staatlichen Vogelschutzwarte mitgeteilten "Fünferliste" nachvollzogen werden. Es erweist sich, daß die Auswahl der Vogelschutzgebiete mit den Kurzgutachten nicht in allen Fällen mit dieser Fünferliste übereinstimmt. Teilweise wurden nicht die "geeignetsten" Gebiete, also Gebiete mit dem Rang 1, gewählt. Die Liste kann von der Geschäftsstelle abgefordert oder auf der Internet-Seite unseres Arbeitskreises unter "www.arbeitskreis-eigentum-und-naturschutz.de" eingesehen werden (unter der Rubik Materialen/Archiv oder hier (PDF)).

  2. Die Bundesländer gestalten nicht nur das Auswahlverfahren, sondern auch die Anwendung der Kriterien des Anhanges III FFH-RL unterschiedlich aus. Die Geschäftsstelle verfügt insoweit über Materialien aus den Ländern Brandenburg, Bremen, Baden-Württemberg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Bayern und Sachsen-Anhalt, die sie auf Anfrage gern zur Verfügung stellt.

  3. Aus einer Antwort der parlamentarischen Staatssekretärin Gila Altmann vom 27.04.2000 auf eine kleine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Heinrich-Wilhelm Ronsöhr geht hervor, daß die EU-Kommission der Bundesregierung mit Schreiben vom 04.04.2000 mitgeteilt habe, daß sie die Auffassung vertrete, Deutschland habe die FFH-Richtlinie "im Hinblick auf einige Detailpunkte" nicht umfassend in nationales Recht umgesetzt.

Diese Mitteilung kommt - wie bestellt - pünktlich zur Novellierung des BNatSchG, so daß vermutlich die §§ 19 a) ff erneuten Änderungen unterworfen werden.

  1. Mit Urteil vom 25.11.1999 hat der Europäische Gerichtshof die Französische Republik wegen mangelnder Umsetzung der Vogelschutzrichtlinie verurteilt. Der Leitsatz lautet:

"Die Französische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 4 der Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 02.04.1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten verstoßen,

daß sie nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist eine ausreichend große Fläche im Sumpfgebiet des Poitou zum besonderen Schutzgebiet erklärt hat,

daß sie keine Maßnahmen getroffen hat, um den im Sumpfgebiet des Poitou eingerichteten besonderen Schutzgebieten einen ausreichenden rechtlichen Schutzstatus zu verleihen,

und daß sie keine geeigneten Maßnahmen getroffen hat, um die Beeinträchtigung der im Sumpfgebiet des Poitou zum besonderen Schutzgebiet erklärten Gebiete und eines Teils der Gebiete, die zu besonderen Schutzgebieten hätten erklärt werden müssen, zu vermeiden."

Die Entscheidung setzt die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes aus dem

  • Urteil vom 19.05.1998 (Kommission gegen Niederlande)

  • der sog. "Lappell-Bank"-Entscheidung (Urteil vom 11.07.1996)

  • der Santonya-Entscheidung (Urteil vom 02.08.1993) und zur

  • Leybucht (Urteil vom 28.02.1991)

fort, und hinterfragt erneut nicht die Bedeutung des "IBA-Verzeichnisses". Die Naturschutzverbände haben den großen Einfluß der IBA-Liste auf den EuGH erkannt und zu Beginn dieses Jahres eine zweite Auflage des Verzeichnisses vorgelegt. Die meisten Schutzgebietsvorschläge sind darin flächenmäßig noch erheblich vergrößert.

  1. Eine erhebliche Bedeutung für den Rechtsschutz gegen die Listung von Gebieten durch die Europäische Kommission könnte das Beschwerdeverfahren erhalten. Die Beschwerde informiert die Europäische Kommission über einen bestimmten Sachverhalt und setzt die Kommission damit in die Lage, zu prüfen, ob sie ein Vertragsverletzungsverfahren gegen den Mitgliedstaat einleitet. Die Kommission könnte auch aufgrund von Verdachtsmomenten, die sie selbst aufdeckt, tätig werden.

Die ersten Beschwerdeverfahren sind durchgeführt worden. Es erweist sich bislang, daß die Kommission durchweg politisch entscheidet und die Auswahlpraxis in den Mitgliedstaaten großzügig sanktioniert, auch wenn sie gegen die Kriterien aus Anhang III FFH-RL verstößt.

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III. Aus den Mitgliedsverbänden

  1. Auf Einladung des Deich- und Hauptsielverbandes Dithmarschen fand am 10.05.2000 in Büsum eine international und prominent besetzte, hoch interessante Veranstaltung zur Wasserwirtschaft an der Küste statt. Ein zusammenfassender Vermerk kann von der Geschäftsstelle abgefordert werden.

Unter anderem stellte Herr Bernd Probst, Leiter der Abteilung Küstenschutz beim MLR die Grundzüge des neuen

Generalplanes Küstenschutz

vor. Der alte Generalplan von 1963 werde im Jahre 2000 annähernd abgearbeitet sein. Seit 1963 seien 268 Mio. DM für Küstenschutz ausgegeben worden. Der neue Generalplan werde unter deutlich beengteren finanziellen Vorgaben stehen, obwohl an den deutschen Küsten eine Deichsicherheit wie etwa an den niederländischen lange nicht hergestellt ist.

Bei der Geschäftsstelle ebenfalls erhältlich ist eine Karte, die die Landgewinnung vor der Küste Dithmarschens mit einer kurzen Geschichte der 62 Dithmarscher Köge darstellt.

  1. Häufig wird kritisiert, daß die Gewährleistungen des Art. 14 GG beliebig sind. Es fehle an klaren Abgrenzungen, wann eine bestimmte staatliche Maßnahme Inhalts- und Schrankenbestimmung i. S. von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG und wann sie Enteignung im Sinne von Art. 14 Abs. 3 GG sei. Die Beliebigkeit in der Bewertung wird deutlich an der Rechtsdiskussion zum Atomausstieg. In der Neuen Juristischen Wochenschrift sind dazu zwei Aufsätze veröffentlicht. Der eine bewertet ein Ausstiegsgesetz als Enteignung und erörtert die Maßstäbe der zu gewährenden Entschädigung, der andere hält ein Ausstiegsgesetz für eine "verhältnismäßige Eigentumsinhaltsbestimmung". Beide Aufsätze können in Kopie bei der Geschäftsstelle abgefordert werden. Ihre Lektüre läßt eigentlich nur den Schluß zu, daß die Gewährleistungen des Art. 14 GG keine Frage des Rechts, sondern eine Frage der Macht sind. Wer gewährt ?

  2. Anläßlich der Jahreshauptversammlung des Fischereischutzverbandes am 12.02.2000 in Hohwacht hielt Herr Dr. Ernst, Institut für Ostseefischerei Rostock, einen hoch interessanten Vortrag zu den beiden Dorschbeständen in der westlichen sowie in der zentralen und östlichen Ostsee. Danach zeigt die Entwicklung des Dorschbestandes in der westlichen Ostsee einen positiven Trend; der Bestand liegt innerhalb sicherer biologischer Grenzen. In der zentralen und östlichen Ostsee ist der Bestand hingegen durch Überfischung gefährdet.

  3. Die Landesregierung beabsichtigt, in und um Sieseby, Kreis Rendsburg-Eckernförde, erstmals von der Ermächtigung aus dem novellierten Denkmalschutzgesetz Gebrauch zu machen und einen sog. "Denkmalbereich" durch Landesverordnung auszuweisen. Die Verordnung soll neben einem denkmalschutzwürdigen Kernbestand auch umgebende land- und forstwirtschaftliche Flächen einbeziehen und eine Änderung ihrer Nutzung (!) der denkmalschutzrechtlichen Genehmigungspflicht unterwerfen.

  4. Nach einem Erlaß des Kieler Umweltministeriums an die Wasserbehörde im Kreis Steinburg soll es mit § 38 Abs. 1 Landeswassergesetz nicht zu vereinbaren sein, daß bei der maschinellen Unterhaltung der Verbandsvorfluter das Mähgut auf den Grabenböschungen verbleibt. Das Mähgut müsse von der Uferböschung entfernt werden, weil die Gewässer vor Nährstoffanreicherung und Schadstoffeintrag zu schützen seien.

Damit wird die Pflicht zur Unterlassung von Nähr- und Schadstoffeinträgen in Gewässer umgewandelt in eine Pflicht, den Gewässern durch aktives Handeln Nähr- und Schadstoffe zu entziehen. Letztere Pflicht kann bei vertretbarem Kostenaufwand kein Wasser- und Bodenverband erfüllen.

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 IV. Rechtsprechung

  1. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat mit Urteil vom 05.02.1999 (AZ: 25 U 189/98) eine grundlegende Entscheidung zur Entschädigung von naturschutzbedingten Nutzungseinschränkungen erlassen. Die entschädigungspflichtige Wertminderung durch das Verbot, Grünland umzubrechen, seine Nutzung zu ändern oder Drainmaßnahmen durchzuführen, zu düngen, Dünger oder Silagen zu lagern und Pflanzenschutzmittel anzuwenden wird auf rund die Hälfte des Verkehrswertes der betroffenen Grundstücke veranschlagt. Maßstab für die Bemessung einer angemessenen Entschädigung sei der Verkehrswert des beauflagten Grundstücks im Vergleich zu jenem des unbeauflagten Grundstücks. Ausdrücklich wird außerdem das häufig vorgebrachte Argument bestätigt, bei Ackerflächen und Obstpflanzungen trete selbst bei großzügigen Ausnahmevorschriften in der Verordnung selbst eine Wertminderung ein, die eventuelle Pächter zur Minderung des Pachtzinses berechtige und dazu führe, daß sich für die unter Schutz gestellten Grundstücksteile kein Käufer mehr finden werde, weshalb eine Entschädigungspflicht bestehe.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Frankfurt bestätigt das Urteil des Landgerichtes Kassel vom 17.04.1998 (AZ: 7 O 1328/96).

Ausdrücklich hält das OLG Frankfurt den Rechtsweg zu den Zivilgerichten zum Einklagen der Entschädigung für zulässig. Umdrucke der Entscheidungen können bei der Geschäftsstelle abgefordert oder auf der Internetseite unseres Arbeitskreises unter "www.arbeitskreis-eigentum-und-naturschutz.de" (Rubrik: Rundschreiben, paßwortgeschützt, nur für Mitglieder (hier)) eingesehen werden.

Nachdem in der Rechtsprechung seit längerem geklärt ist, daß ein Bebauungsplan wegen des Verstoßes gegen höherrangiges Recht nichtig ist, wenn der Inhalt seiner Festsetzungen einer Landschaftsschutzverordnung widerspricht, hat das Bundesverwaltungsgericht die Frage nun auch für Flächennutzungspläne entschieden (Urteil vom 21.10.1999, AZ: 4 C 1.99, Natur und Recht 2000, S. 321 ff.). Das Bundesverwaltungsgericht weist die Argumente der Vorinstanz zurück, ein Flächennutzungsplan habe keinen förmlichen Normcharakter, er enthalte keine verbindlichen Regelungen, schaffe kein bindendes Baurecht und bringe nur den Willen der Gemeinde zum Ausdruck, wie sie die von ihr beabsichtigte städtebauliche Entwicklung künftig verbindlich festlegen wolle. Das Bundesverwaltungsgericht stützt seine Rechtsansicht auf § 6 Abs. 2 BauGB, die den Genehmigungsbehörden (in Schleswig-Holstein das Innenministerium) die Voraussetzungen aufgibt, nach denen die beantragte Plangenehmigung versagt werden darf. Die "Programmierungsfunktion" eines Flächennutzungsplanes steuere "durch das Entwicklungsgebot im Sinne einer Determinierung den Inhalt der Festsetzungen des rechtsverbindlichen Bebauungsplanes", weshalb es kein gewichtiges Interesse der Gemeinde gebe, einen Flächennutzungsplan zu beschließen, der in inhaltlichem Widerspruch zu Rechtsverordnungen stehe.

Im Ergebnis nimmt die Entscheidung den Gemeinden die Möglichkeit, durch die vorbereitende Bauleitplanung das Vorliegen von Entlassungs-, Ausnahme- oder Befreiungstatbeständen nach den Landschaftsschutzverordnungen zu dokumentieren, um den Boden für B-Pläne in Landschaftsschutzgebieten zu bereiten.

Die Entscheidung ist allerdings in ihrer Kehrseite ein wichtiges Argument zur Auslegung von § 15 a) Abs. 1 Ziffer 10 LNatSchG. Danach sind unter den gesetzlichen Biotopschutz gestellt "sonstige Sukzessionsflächen außerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile, die länger als fünf Jahre nicht bewirtschaftet wurden, es sei denn, es handelt sich um Flächen, die öffentlich-rechtlich verbindlich für andere Zwecke vorgesehen sind". Wenn nun die Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes zutrifft, die Programmierungsfunktion führe zur öffentlich-rechtlichen Verbindlichkeit, dann ist der Schluß zwingend, daß es Sukzessionsbiotope auf Flächen nicht gibt, die zwar außerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile liegen, länger als fünf Jahre nicht bewirtschaftet wurden, aber im Flächennutzungsplan beispielsweise als Fläche zur Bebauung oder als Fläche für die Landwirtschaft dargestellt sind.

  1. Eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Schleswig, Urteil vom 13.10.1999 (AZ: 1 A 20/98, Natur und Recht 2000, S. 359) bestätigt, daß (in Schleswig-Holstein) Wald auf jeder Fläche vorliegt, "die mit Forstpflanzen so dicht bestockt ist, daß Kronenschluß besteht". Dies könne nur dann nicht gelten, wenn die Fläche bis ca. 700 qm groß sei.

Zu Grunde lag der Entscheidung die Frage, ob eine durchgewachsene Weihnachtsbaumkultur den Bebauungszusammenhang im Innenbereich unterbricht und damit die Geltung der naturschutzrechlichen Eingriffsregelung nach § 8 a) Abs. 1 BNatSchG ausschließt.

  1. Das Verwaltungsgericht Schleswig hat im Urteil vom 06.10.1998 (AZ: 1 A 198/95, Natur und Recht 2000, S. 258) auch entschieden, daß der Bestandsschutz eines bestehenden Steges dann entfällt, wenn er "gänzlich durch neue Bauteile ersetzt worden" ist.

Aus der Entscheidung folgt geradezu die Aufforderung an Stegbesitzer, vorhandene und genehmigte Stege mit den wirksamsten Mitteln (das werden häufig chemische sein) zu konservieren.

  1. Gelegentlich versuchen die Wasserbehörden, eigentlich gebotene wasserrechtliche Planfeststellungsverfahren durch die weniger aufwendige schlichte Plangenehmigung zu umgehen. Grundsätzlich ist für einen Gewässerausbau ein Planfeststellungsbeschluß erforderlich, während für die Errichtung wasserbaulicher Anlagen die Genehmigung ausreicht. Die Abgrenzung wird häufig streitig, wenn es um die nur einige Meter lange Verrohrung von Gewässerläufen zur Herstellung einer Überfahrt geht.

Der VGH Kassel hat mit Urteil vom 01.09.1998 (AZ: 7 UE 2170/95) entschieden, daß ein Gewässerausbau schon dann vorliegt, wenn sich eine bauliche Maßnahme auf den Zustand des Gewässers in einer für den Wasserhaushalt (Wasserstand, Wasserabfluß), die Wasserwirtschaft, die Ökologie des Gewässers oder in sonstiger Hinsicht bedeutsamen Weise auswirkt". Auch die im entschiedenen Fall 5 m langen Verrohrrungen zur Herstellung einer Überfahrt seien Gewässerausbau, weil "der Wechsel von offenen und verrohrten Gewässerstrecken das Erscheinungsbild des Gewässers einschneidend verändert, die Selbstreinigungskraft des Wassers verringert, das Gewässer gegen positive Umwelteinflüsse wie Belichtung und Belüftung isoliert und die Wechselwirkung zwischen Wasser, Boden und der Tier- und Pflanzenwelt erheblich beeinträchtigt".

  1. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat mit Urteil vom 04.03.1999 (AZ: 3 K 1304/97) entschieden, daß die Voraussetzungen, unter denen ein Wasserschutzgebiet festgesetzt werden kann, für jede darin einbezogene Teilfläche erfüllt sein müssen. Demgemäß dürften nur solche Flächen in ein Wasserschutzgebiet einbezogen werden, die im Einzugsbereich der zu schützenden Trinkwasserbrunnen liegen, was Arrondierungen entlang von Flurstücksgrenzen ausschließt, wenn es eine Möglichkeit gibt, die Abgrenzung des Wasserschutzgebietes an anderen näher am Einzugsbereich verlaufenden in der Natur erkennbaren Linien oder Markierungen zu orientieren. Gebe es derartige Linien oder Markierungen nicht, könne die Wasserbehörde sogar gehalten sein, geeignete Markierungen zu setzen.

Die Entscheidung hat Bedeutung insbesondere für große landwirtschaftliche Schläge, die bei der Abgrenzung von Wasserschutzgebieten häufig nach der 50 % - Regelung einbezogen werden, d.h. dann vollständig in den Geltungsbereich der Wasserschutzverordnung hineingenommen werden, wenn nur wenig mehr als die Hälfte ihrer Fläche innerhalb des hydrogeologischen Einzugsgebietes liegt.

In den Rechtsetzungsverfahren braucht dann nur (ggf. unter Berufung auf das Umweltinformationsgesetz) die Offenlegung des ermittelten Einzugsgebietes verlangt zu werden, um die Behörde zu zwingen, jedenfalls einen Teil des Schlages auszugrenzen und damit unbeauflagt zu lassen.

  1. Das Oberverwaltungsgericht Schleswig hat mit Urteil vom 15.12.1999 (2 L 3/98) eine wichtige Entscheidung zum naturschutzrechtlichen Vorkaufsrecht nach § 40 LNatSchG Schleswig-Holstein erlassen. Nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 LNatSchG steht dem Land ein Vorkaufsrecht zu an einem Grundstück, auf dem ein oberirdisches Gewässer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Wasserhaushaltsgesetzes liegt oder das an ein solches angrenzt. § 1 Abs. 1 Ziffer 1 WHG definiert, daß oberirdische Gewässer "das ständig oder zeitweilig in Betten fließende oder stehende oder aus Quellen wild abfließende Wasser" sind. Das Oberverwaltungsgericht definiert nun eine ca. 20 - 25 cm tiefe Rinne mit erodierten Seitenteilen (ein verlandeter Graben) als Gewässerbett, obwohl ein Sachverständigengutachten feststellte, daß sich die Geländesenke "weder in der Substratbeschaffenheit noch in der Vegetation vom umgebenden Arial abhebe": "Durch die Zuführung des Wassers zu einem Sickerschacht und die Weiterleitung über unterirdische Drainagerohre zur Vorflut verliert das auf dem Grundstück vorhandene oberirdische Gewässer diese seine Eigenschaft nicht".

Die Entscheidung führt letztlich dazu, daß das gesetzliche Vorkaufsrecht auf den allermeisten Flächen in Schleswig Holstein ruht.

  1. An der Veröffentlichungspraxis der vom ehemaligen Leiter der Abteilung Naturschutz im Kieler Umweltministerium, Herrn Ministerialdirigent a.D. Claus Carlsen, herausgegebenen Zeitschrift "Natur und Recht" läßt sich gut erkennen, wie Rechtsmeinungen geprägt werden. Veröffentlicht werden von Herrn Carlsen grundsätzlich nur Entscheidungen, die zugunsten des behördlichen Naturschutzes ausgehen. Entscheidungen zugunsten der Freiheit werden nicht abgedruckt. Diese Ächtung und die bekannten Zitierkartelle mögen kurzfristig "nur" zu einer verzerrten Darstellung der Rechtslage führen, schon mittelfristig wird aber Rechtsentwicklung beeinflußt.

Die Mitgliedsverbände werden gebeten, ihnen bei der Interessenvertretung ihrer Mitglieder bekannt werdende Entscheidungen häufiger an die Geschäftsstelle weiterzugeben.

Als positives Beispiel sei ein Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes München vom 15.05.1997 (AZ: 9 N 94.2711) genannt. Danach ist ein Gebiet als Naturschutzgebiet dann nicht schutzwürdig, "wenn sein Kernbereich durch landwirtschaftliche Nutzung geprägt und nur in kleineren Teilbereichen als naturnah anzusehen ist".

Alle zitierten Entscheidungen können in Kopie von der Geschäftsstelle abgefordert werden. Im Internet können wir leider nur die Entscheidungen veröffentlichen, deren Originalumdruck vom Gericht vorliegt. Der Text-Satz in den juristischen Fachzeitschriften ist in aller Regel urheberrechtlich geschützt.

Mit freundlichen Grüßen

gez. Dr. Giesen


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