Rundschreiben 11/2005


Sehr geehrte Damen und Herren,

wir haben schon in verschiedenen Rundschreiben die Problematik des Art. 12 FFH-RL angerissen (vgl. etwa Rundschreiben 8/2005). Mit diesem Sonderrundschreiben sollen Materialien und Hintergründe zum Artenschutz nach der FFH-Richtlinie aufbereitet werden.

Rechtsgrundlage für den europarechtlichen Artenschutz sind die Art. 12 bis 16 FFH-RL. Diese Vorschriften sind in Anlage 1 abgedruckt.

Die Art. 12 bis 16 FFH-RL gelten flächendeckend. Ihr Anwendungsbereich ist nicht auf die Schutzgebiete beschränkt. Die bisherige FFH-Diskussion betraf nur die Schutzgebiete und ihre Entstehung sowie das auf Art. 6 FFH-RL gestützte Schutzregime. Die flächendeckende Geltung der Art. 12 bis 16 FFH-RL kommt erst langsam ins allgemeine Bewußtsein.

Die Problematik sei am Beispiel der Tierarten erläutert:

Nach Art. 12 Abs. 1 FFH-RL treffen die Mitgliedstaaten die notwendigen Maßnahmen, um ein strenges Schutzsystem für die in Anhang IV Bst. a) genannten Tierarten in deren natürlichen Verbreitungsgebieten einzuführen; dieses verbietet u.a. jede Beschädigung oder Vernichtung der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten.

Tierarten nach Anhang IV FFH-RL sind etwa Feldhamster, Fischotter, Haselmaus, Nerz, Schweinswal, zahlreiche in Wäldern weitverbreitete Fledermausarten, Rotbauchunke, Laubfrosch, Kammolch, Lachs, Finte, viele Libellen- oder Schmetterlingsarten sowie auch die gemeine Flußmuschel. Eine vom Bundesamt für Naturschutz herausgegebene Artenliste ist als Anlage 2 beigefügt.

Die Arten sind nur teilweise selten. Für die meisten Arten haben die wissenschaftlich verbesserten Kenntnisse der letzten Jahre ein weites Verbreitungsgebiet, teilweise sogar eine Populationszunahme belegt. Teilweise, wie etwa beim Fischotter, vergrößern sich die Verbreitungsgebiete infolge von Artenhilfsmaßnahmen.

Die Europäische Kommission nimmt die Worte "strenges Schutzsystem" in Art. 12 Abs. 1 FFH-RL ernst. Insbesondere aus dem Fehlen des Wortes "absichtlich" in Art. 12 Abs. 1 Bst. d) werden Rechtsfolgen abgeleitet, die die Bewirtschaftung erheblich einschränken. Die Einzelheiten der von der Europäischen Kommission vertretenen Auslegung gehen aus dem Entwurf eines "guidance document" hervor, den die Generaldirektion Umwelt der Europäischen Kommission in mittlerweile dritter Fassung - leider nur in englischer Sprache - vorgelegt hat. Einen Auszug fügen wir hier bei als Anlage 3. Es wird daran erinnert, welche erheblichen Folgen die Auslegungshinweise zu Art. 6 FFH-RL (vgl. unser Rundschreiben 9/2000, S. 8) für die Rechtsentwicklung in den Mitgliedstaaten hatten.

Auf die dramatischen Beschränkungen der Forst- und Landwirtschaft weist sogar - daran mag man die bislang weitgehend verkannte Bedeutung ermessen - das Bundesumweltministerium hin. Das BMU hat sich im Anhörungsverfahren bei der Europäischen Kommission auf den Standpunkt gestellt, daß die von der Kommission vertretene Auslegung Bauern und Waldbesitzer überfordere. Macht man sich bewußt, was das BMU sonst an Beschränkungen noch für tragbar hält, von den Betroffenen aber schon als unzumutbar empfunden wird, erahnt man die erheblichen Folgen.

Die Arbeiten am guidance document sind noch nicht abgeschlossen. Sie können im Internet über die sog. CIRCA-Website

http://forum.europa.eu.int/Public/irc/env/species_protection/home

oder über

google: circa -> a collaborative network

verfolgt werden. Den Mitgliedern wird dringend empfohlen, sich auf den Stand der Diskussion zu bringen.

Einen Vorschlag zur Positionierung der Mitgliedsverbände finden Sie als Anlage 4 beigefügt.

Mit freundlichen Grüßen

gez. Dr. Giesen

Anlagen 1 bis 3:
Anlage 4:

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